Flöns mit Öllek – der Himmel auf Erden
24. März 2011
Jüngst importierte rheinische Blutwurst (der Kerl nennt sie Flöns) harrte der Pfanne. Normalerweise gibt es die gebratene Blutwurst in diesem Haus mit Kartoffelpüree und rohen Zwiebeln (der Kerl nennt sie Öllek). Ich denke sofort an die Leningrad Cowboys, wie sie auf dem Weg nach Amerika halbverhungert in eine ganze Zwiebel beißen (müssen), in der Kartoffel-Zwiebel-Blutwurst-Dreifaltigkeit ist ihre Funktion jedoch eine andere. In Ringlein geschnitten ist sie ein geradezu notwendiger Counterpart zur Üppigkeit der beiden anderen Komponenten.
Aus Anlass der kulinarischen Reise durchs Rheinland, zu der Edekaner im Namen des Kochtopfblogs aufrief, soll die Blutwurst hier allerdings noch rheinischer auftreten, in Begleitung von Himmel un Ääd – und das, obwohl der Reiseleiter betont, dass die rheinische Küche noch anderes bereithält als die breitgetretenen Klassiker.
Die Erde zeigt sich als Brei:
Mehlige Kartoffeln (hier keine Afra) schälen, vierteln und in Salzwasser mit
einem Lorbeerblatt garkochen, abgießen und mit heißer Milch stampfen. Muskat dazu und ein gutes Stück Butter unterrühren.
Der Himmel ist bei mir kein Mus, sondern kommt in Form von Gewürzäpfeln ins Spiel.
Für das kleine Apfelragout
vier saure Äpfel schälen und in kleine Würfel schneiden, mit
einem Esslöffel Wasser,
einem Spritzer Zitrone,
einem Teelöffel Zucker,
einer Prise Salz,
einem Lorberblatt,
einem Thymianzweiglein,
Pimentkörnern,
Wacholderbeeren
Pfefferkörnern und, wer’s mag,
Korianderkörnern
kochen, bis sie weich sind, aber nicht zerfallen (ca. 10 Minuten).
Zwiebeln in Butter oder Butterschmalz nicht viel dunkler als blond rösten.
Einen halben Ring Blutwurst in dickere Scheiben schneiden und entweder mehlen oder auch nicht.
Von beiden Seiten in Butterschmalz braten, bis sie eine Kruste haben. (Normalerweise funktioniert das perfekt, diese Wurst aber war zu weich und hielt nicht gut zusammen.)
Himmel und Erde entweder vermengen oder in guter Nachbarschaft auf dem Teller plazieren, so kann jedeR nach eigenem Ermessen manschen. Mit der gebratenen Blutwurst und den gerösteten Zwiebeln krönen.
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Orangensalat
12. Februar 2011
Orangenzeit, Zeit für Orangensalat. Den Orangensalat.
Einfacher geht’s kaum, trotzdem ist das Ergebnis umwerfend, denn auch hier agiert ein Dreamteam:
Orangen,
Zwiebel,
Olivenöl,
Salz und Pfeffer,
ein Spritzer Weißweinessig,
dunkle Oliven.
Oft kommt hauchfein geschnittener Fenchel dazu. Ich mag dieses Wunder an herbsüßer, salzprickelnder Fruchtigkeit am liebsten so, wie ich es vor mehr als 25 Jahren kennengelernt habe, ohne Fenchel.
So geht’s:
Orangen schälen, das Weiße mitentfernen, die Orangen in Räder schneiden und auf einer Platte auslegen.
Sehr fein geschnittene Ringe (da geht noch was) von roter Zwiebel auf den Orangenscheiben verteilen, Meersalz drüberbröseln, Pfeffer drübermahlen und mit Olivenöl beträufeln. Eigentlich andersrum: erst das Öl, dann das Salz, damit es sich nicht auflöst, sondern auf der Zunge zu spüren ist. Fast vergessen: ein wirklich kleines bisschen Weißweinessig drüberträufeln.
Ein paar dunkle Oliven schmücken (und schmecken). Auch wenn das Gericht aus dem Süden stammt und sie aus dem Norden; ich nehme am liebsten die kleinen ligurischen Taggiasca-Oliven (hier sind es allerdings toskanische Leccine). Auch als Öl passt ein weichschmelzendes ligurisches oder ein toskanisches, natürlich aber auch das pfeffrige aus Italiens Süden.
Das Gärtnerblog mit seinen Garten-Koch-Events ist gut für mich: Wieder darf ein Rezept, das seit Ewigkeiten in der Warteliste schlummert, ans jetzt langsam üppiger werdende Februar-Licht.
Sommergemüse: Lecsó
24. Juli 2010
Zwei Vorhaben ließen mich – noch zu sozialistischen Zeiten – nach Ungarn reisen. Das erste war, unter Anleitung von Árpáds Mutter, die den Sommer über in einem Dörfchen nördlich des Balatons residierte, zu lernen, wie man Almapaprika einlegt. Das zweite war, in einem (bzw. jeden Tag in einem anderen) Budapester Táncház/Tanzhaus Csárdás zu lernen, diesen eigenartigen Tanz mit dem Hinkeschritt.
Auf dieser Reise, die mich von Sopron an der österreichischen Grenze bis ins abgelegenste Nyírség am östlichen Rand führte, von Pécs im Süden bis ins Bükk-Gebirge im Norden, ins weinselige Eger und ins von der Industrie graue Miskolc, von den Graurindern der großen Tiefebene zu den Lippizanern auf den Hügeln um das Szalajka-Tal, vom Debrecen der gleichnamigen Würste bis Hollókő mit seinen Blaudruck-Schürzen – auf dieser ausgedehnten Reise lernte ich die ungarische Küche, hausgemacht und in Restaurantversionen, ziemlich gut kennen – und lieben.
Nach einem ganzen Tag Arbeit, beginnend mit dem Besorgen von Unmengen Apfelpaprika und der übrigen Zutaten, dem Spülen der Fünfliter-Einmachgläser, dem Bürsten und Einschichten der Paprikaschätzchen, dem Verdünnen und Aufkochen von 10-prozentigem Essig mit Meerrettichwurzel und ungarischem Safran/Sáfrányos Szeklice (nein, es ist kein Safran und schmeckt auch nicht so; ja, es sind Staubfäden Blütenblättchen, rote; von welcher Blüte? keine Ahnung) – nach einem von Erfolg gekrönten Arbeitstag in der brüllend heißen Sommerküche also, bat uns Árpáds Mutter auf die Terrasse zum Abendessen. Sie servierte eine riesige Platte mit Lecsó: diesem Letscho, dessen Rezept gleich folgt. Ich werde es nie vergessen, genauso wenig wie den unvergleichlichen Geschmack der Almapaprika aus sommerglücklicher Gemeinschaftsproduktion.
Lange Vorrede. Gestern gab es Lecsó. Warum? Weil es heiß war, und weil die ungarischen hellgelbgrünen Paprika so ein unwiderstehliches Aroma hatten.
Hier also das Rezept:
In die Pfanne kommt Schmalz, wie so häufig in Ungarn Schweineschmalz (sertés zsír), bei mir in Ermangelung eines guten Schweineschmalzes auch schon mal Gänseschmalz (tiefgefroren von der Weihnachtsgans) oder in Würfelchen geschnittener roher weißer Speck. Egal, was es ist, es soll schmelzen.
Dahinein fällt eine halbe von diesen Riesengemüsezwiebeln oder zwei mittlere normale: nicht in Ringe, auch nicht in halbe Ringe, sondern in auseinanderfallende Spalten geschnitten (das was die Italiener „a velo“ nennen). Wenn die ziemlich weich geworden sind, kommen dazu die hellgrünen (in Ungarn nennt man sie weiße) Paprikaschoten, ein Pfund sollte recht sein, mindestens: halbiert, geputzt und quer in einzentimeterbreite Streifen geschnitten. Sie behalten ihre Schale. Wer Schale von „weißer“ Paprika nicht verträgt, hat Pech gehabt. Sie fangen sofort zu duften an, brauchen aber trotzdem ein bisschen Zeit (immer wieder wundere ich mich, wie lange es dauert), bis sie nicht mehr roh sind, aber noch Biss haben. (Es geht schneller, wenn man zwischendurch den Deckel auflegt, besser werden sie unbedeckt.)
Nun salzen, Pfeffer drübermahlen (bei mir immer schwarzen) und drei bis vier bis fünf verschlagene Eier in die Pfanne kippen. Rühren, rühren, rühren, die Hitze ist dabei mild, und die Eier sollen nur anziehen. Wenn sie ein bisschen krüsselig werden, macht das nichts. Sie dürfen nur nicht zu fest sein.
Manchmal kommen ein oder zwei Tomaten in Stücken dazu (gegen Ende der Paprikabratzeit), manchmal wird Paprikapulver darübergestreut. Ich mag am liebsten die pure Version, ohne roten Schnickschnack. Vor allem Petersilie hat nichts auf einem Lecsóteller zu suchen, so hübsch das Grün auch aussehen mag.
Das Ergebnis hat nichts mit Frittata oder Tortilla oder Omelette zu tun, schon eher mit der baskischen Pipérade. Die Eier schmiegen sich zwischen die Zwiebel- und Paprikastreifen und machen das vom Gemüse frische Gericht samtweich. Die scharfe Pfeffernote dazu, perfekt. Lecsó.
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