Löffelreise, die vierte: der Löffel unter der Guillotine

31. Oktober 2011

Der Löffel ist unters Messer geraten. – Ja, hört das denn niemals auf, dieses Fallbeilschwingen? Offenbar nein. Nicht in Frankreich, dem Land der Guillotine. Tradition ist schließlich Tradition!

Auch im F.I.E.F., dem Foyer International d’Études Françaises, steht eine Guillotine – zum Baguettehacken. Und unter deren Messer fand sich der Löffel wieder.

Das Foyer, in dem solch martialische Tischsitten herrschen, hat seinen Sitz im ehemaligen Pfarrhof von Châteauneuf-de-Mazenc und ist – gegründet 1956 von Ernest Jouhy/ursprünglich Ernst Jablonski, einem deutschen Exilanten und Widerstandskämpfer – eine internationale Begegnungsstätte. Die Guillotine spielt hier, außer bei Tisch, keine Rolle. Was dagegen an Traditionen hochgehalten wird, sind neben gutem Essen und französischem Savoir vivre vor allem die Traditionen der Résistance. Nicht nur der militärische Widerstand interessiert, sondern endlich auch der zivile. Historiker wie Bernard Delpal im Verein Patrimoine Mémoire et Histoire du Pays de Dieulefit kümmern sich um „die andere Résistance“.

Nicht weit von hier, im unzugänglichen Vercors, einem Zentrum des bewaffneten Widerstands, fanden im Juli 1944, nach der Ausrufung der Freien Republik des Vercors, Massaker an Résistants und Zivilbevölkerung statt. Die deutschen Besatzer ermordeten wahllos Maquisards und Landbevölkerung und zerstörten Höfe und Dörfer auf der Hochebene. Museen und Gedenkstätten erinnern daran, die Ruinen von Valchevrière ebenso wie das pathetische nationale Denkmal der Résistance in Vassieux.

Ganz in der Nähe fand aber auch das „Wunder von Dieulefit“ statt, ein „Wunder des Stillschweigens und der Solidarität“. Es verdankte sich nicht nur der Gemeindesekretärin Jeanne Barnier, einer virtuosen Passfälscherin, und den drei Leiterinnen der reformpädagogischen Internatsschule von Beauvallon, sondern all den Bewohnern von Stadt und Ländchen Dieulefit, die ohne Ausnahme die unzähligen Flüchtlinge schützten. Nicht einer wurde denunziert. Es hat lange gedauert, bis auch die „stillen Helden“ ins Blickfeld der Historiker kamen.

Arthurs Tochters Löffel hat viel gelernt in der Drôme. Seine Reise begann hier, und er findet sich „verrückt“. Und hier kommt das Foto, mit dem er sich bewirbt.

Eigentlich wollte der Löffel noch nach Paris, um sich mit der Entenpresse von Dehillerin anzulegen. Doch die Erfahrung mit der Guillotine hat ihn einigermaßen gefügig gemacht, und er reiste brav über Lyon und Basel zurück nach Berlin. Als er dann in seiner Schublade, immerhin neben einem kleinen Dehillerin-Messer, zur Ruhe kam, hatte er schon alles vergessen: die Entenpresse, das Gläschen Crémant de Die, die Smaragdeidechse, die Entrappungsmaschine, Weinkorken und Flaschenlager, die Kernkraftwerke entlang der Rhone und seine kleine Ohnmacht in der Trüffelschublade.

Ein Löffel geht auf die Reise. Verrückt. Weltbekannt. Prominent.

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5 Responses to “Löffelreise, die vierte: der Löffel unter der Guillotine”

  1. kormoranflug Says:

    Die Revolutionstour 2011, passt ja zu den Mittelmeerländern.


  2. ob er knirscht wie ein Brot, wenn er seinen Kopf verliert?


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