Senf-und-Ingwer-Sauerkraut
2. April 2011
Mein Sauerkraut, man mag es, oder man mag es nicht. Ich kenne kaum ein besseres. Und ich bin zufrieden, dass es trotz der ausufernden Gewürzbeigaben sehr gut zu Blut- und Leberwurst passt.
Darauf gekommen bin ich, weil in meiner bayrischen Verwandtschaft, in der man Sauerkraut natürlich selbst einmachte, plötzlich eines auftauchte, das schon mit Senfsamen, Knoblauch und einigem mehr aus dem Fass kam. Das versuchte ich nachzubauen.
Irgendwann bin ich bei oben abgebildeter Zusammensetzung gelandet, bei der allerdings das Sauerkrautstandardgewürz fehlt: die Wacholderbeeren. Ein paar davon kommen, angequetscht, natürlich noch dazu. Und der Ingwer. Ein nussgroßes Stück wird mitgekocht (wenn kein frischer da ist, geht zur Not auch gemahlener, der bringt weniger Frische, aber die spezifische Ingwerschärfe).
Meine Großmutter war bekannt dafür, ihre Gabel solange zu schütteln, bis jedes Fitzelchen Kraut in den Teller zurückgefallen war. Und das besonders, wenn es sich um „leeres“ Sauerkraut handelte. Auch ich kann leerem Sauerkraut nicht viel abgewinnen, noch weniger aber einem, in dem Geräuchertes gekocht wurde. Für mich muss durchwachsenes Schweinefleisch in den Topf, also Bauch, Brust, Schwänzchen oder, am allerliebsten, und da kann man von durchwachsen nicht mehr sprechen, Fettbäckchen. Und Gepökeltes gehört dazu, um jeden Preis. Das nicht so leicht zu kriegen ist. Allenfalls in Form von Eisbein findet es sich, also meist in viel zu großen Stücken. Manchmal bekommt man das kleinere Kniebein, und mancher Fleischer legt ein Wunschstück mit in die Lake, wenn man den Wunsch rechtzeitig äußert. Auf jeden Fall beeinflusst es den Geschmack beträchtlich.
Als Sauerkraut (meine Versuche, es selbst einzulegen, waren bisher allesamt enttäuschend) nehme ich offenes. Unbedingt. Hände weg von Dose oder Glas. Auch das in Plastikbeuteln eingeschweißte ist mir meist nicht sauer genug. Wenn es zu sauer ist, kippe ich es in ein Sieb und lasse kurz kaltes Wasser drüberlaufen.
Was reinkommt:
Schweineschmalz
Zwiebel
durchwachsenes frisches Schweinefleisch
Pökelfleisch vom Schwein
Sauerkraut aus dem Fass oder der Tonne
Riesling
an Gewürzen:
Salz
Lorbeer
Knoblauch
Ingwer
eine Chilischote
Kümmel
gelbe Senfsamen
braune Senfsamen
Gelbwurz
Galgant
und in einem Papier-Teefilter:
Wacholderbeeren
Pfefferkörner
Pimentkörner
eine Nelke
eine Kardamomkapsel, geöffnet.
(Was nicht reinkommt: Sternanis, Bockshornklee, Zimt … Es soll ja kein Currykraut werden und auch nicht arabisch.)
Ich beginne damit, eine Zwiebel in Streifen zu schneiden und lasse sie in Schweineschmalz angehen. Dazu kommen Stücke vom Schweineschwänzchen oder anderes frisches Schweinefleisch mit gutem festem Fettanteil und werden kurz angebraten, dann ein Stück Pökelfleisch und mindestens ein Pfund, eher ein Kilo Sauerkraut, das ich mit der Schere kleingeschnitten habe.
Ein Lorbeerblatt, eine Knoblauchzehe, ein Stück Ingwer und eine Chillieschote dürfen dazu, die weißen und schwarzen Senfsamen, der Kümmel und gemahlener Galgant und Kurkuma ebenfalls. Dann gieße ich mit Riesling und Wasser auf und versenke einen Teefilter mit den übrigen Körnern, also Wacholder, Pfeffer, Piment, Nelke und Kardamom, die einzeln nicht so einfach rauszufischen sind. Dann köchelt es ca. eine Stunde vor sich hin.
Wenn das Fleisch durch, aber noch kernig ist, kommt es raus. Es wird kalt zu Brot gegessen. Am schluss lege ich, so ich sie habe, schlesische Blut- und Leberwurst zum Durchwärmen obenauf. Deckel zu, Feuer aus und ziehen lassen. Dazu gibt es Salzkartoffeln oder Pellkartoffeln oder Stampfkartoffeln oder Kartoffelpuffer.
Die schlesische Blut- und Leberwurst gibt es (nur) bei Fleischer Ulrich, der leider seinen Stand in der Moabiter Markthalle aufgegeben hat und seine preisgekrönten Würste nur noch bei sich zu Hause in Tempelhof feilbietet.
Und, weil ich ein Spielkind bin, nochmal so ein Bildchen in hochkant:
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2. April 2011 at 18:22
Nicht »Kunst aufräumen« — »Rezepte aufräumen«. Und Sauerkraut ohne Zimt, das lob ich mir!
2. April 2011 at 21:58
Du meinst, ich soll ein Inhaltsverzeichnis erfinden? Und zimtfreie Rezepte extra einsortieren?
3. April 2011 at 11:19
Eigentlich meinte ich dieses Buch, aber ein Rezeptverzeichnis zum einfacheren Auffinden bei Nachkochabsicht, das wäre auch nicht übel. :)
3. April 2011 at 11:35
… und weil’s so hübsch ist: Hier der Film.
3. April 2011 at 11:35
Überaus köstlich, dieses Büchlein. Trifft es ziemlich gut. Da stand ich sowas von auf der Leitung, dabei habe ich es sogar schon mal in der Hand gehabt. Und der Film ist erst recht was für Spielkinder. Love it.
3. April 2011 at 09:20
Ganz schön körnig „dein Sauerkraut“, ich halte mich da lieber an ein einfaches elsässisches Choucroute. Tolle Zutatenparade.
3. April 2011 at 10:56
Das allerbeste Sauerkraut habe ich bei einem Südtiroler in Berlin gegessen: im Wirtshaus zum Mitterhofer in der Fichtestraße.
6. April 2011 at 22:39
sie kocht so schön, die frau afra. wenns nur halb so gschmackig wie dekorativ ist, ist es sicher köstlich.
7. April 2011 at 00:37
:-) Das ist halt manchmal wirklich Geschmackssache.
19. April 2011 at 18:00
Den Schweineschwanz finde ich eine wirklich dekorative Zutat, die nicht jeder in Berlin schön finden wird. Mir gefällts.
19. April 2011 at 21:35
Das freut mich. Ich habe aber auch nichts anderes von Dir erwartet. :)
17. September 2011 at 21:39
Heute habe ich 2 große Krautkoepfe am Markt gekauft und probiere das Einlegen. Ob’s was wird oder nicht, Dein Rezept probiere ich auf jeden Fall. Sonst halt mit offenen Kraut und auf jeden Fall mit Schweineschwanz und ich will auch Ohren… Und Blutwurst dazu.
18. September 2011 at 17:21
Ohren und Blutwurst will ich auch, Leberwurst aber auch.
Das mit dem Einlegen ist mir einmal gründlich misslungen, trotz Gärtopf. Kürzlich habe ich irgendwo im Netz eine Methode zum Säuern von kleineren Mengen im Glas gefunden, das habe ich mir auch vorgenommen.
Bitte berichte von Deinen Erfahrungen!
18. September 2011 at 18:06
Ohren liebe ich….. Ich probiere das mit dem Einlegen im Steinguttopf, in dem Meine Mutter immer Kimchi einlegt.
Der Topf ist gerade nicht belegt und wenn das Kraut zusammengefallen ist könnte ich es ja vielleicht und die inzwischen leeren gläsernen Gurkengläser umfüllen.
Ich berichte Dir in jeden Fall davon.
1. November 2012 at 12:39
Ich gehe heute zu Rogatzki und frage, was sie mir so an Gepökeltem anbieten können. Außerdem lege ich mir Gewürze zu, die ich sonst leider nicht brauchen werde, so ich sie finde (dunkle Senfkörner, Galgant, Kurkuma ist wohl noch vorhanden, aber wie lange schon?) Wenn ich alles nicht bekomme, lasse ich es knallhart weg. Ich habe nämlich so Lust auf dieses Sauerkraut, dass es heute passieren muss. Ich berichte.
1. November 2012 at 12:48
Das freut mich riesig, dass Dich die kleine Kostprobe so auf den Geschmack gebracht hat.
Was Du getrost weglassen kannst: Galgant, Kurkuma, auch den Koriander. Und eine Sorte Senfsaat reicht aus. Nelke und Kardamom sind kein strenges Muss. Der Rest aber ist unverzichtbar.
2. November 2012 at 00:00
Also, da bin ich ja wieder vorgeprescht und erst nach dem Schreiben fiel mir ein, dass heute nicht der geeignete Tag dafür ist. ABER: ich war bei Rogatzki und durfte für Samstag ein Stück gepökeltes Schwein nach Wahl ordern (ich habe es echt gut, dort meine Wochenendeinkäufe machen zu können). Mit einer Senfkornsorte und ohne Galgant kann ich leben, den Rest habe ich. Und dazu gibts Spätzle, also zusammen Krautspätzle. Vielleicht aus Roggenmehl. Ich freu mich so. Und Sonntag gibt es den ersten selbstgemachten Apfelstrudel. Oder Pizza vom Lieferdienst, je nachdem.
4. November 2012 at 10:46
Gut gelungen? Ich bin gespannt.
4. November 2012 at 16:14
So, nun der Bericht. An sich war es ganz gut, und ich glaube, es passt sehr gut in dieser Form zu sehr kräftigem Fleisch oder Würsten, am besten geräucherten. Zu den Spätzle war es mir ein wenig zu sanft, mir fehlte auch tatsächlich das Geräucherte, mit dem ich es üblicherweise mache. Die Tochter habe ich damit auch schon angesteckt, die findet, mein sonstiges hat mehr Geschmack, vermutlich wieder Vermissen des Geräucherten. Allerdings bin ich auch mit dem Sauerkraut an sich nicht sehr glücklich: aus dem Spreewald, aber dennoch vorbehandelt und nicht sehr sauer. Nächstes Mal werde ich wieder Sauerkraut entweder von Ullrich oder vom Bioladen holen, und – auch wenn es Dich schmerzt – mit geräuchertem Speck hantieren, aber die Gewürze von Deinem beibehalten. Eine Erleuchtung aber waren die Roggenspätzle.
4. November 2012 at 16:19
PS: nochmal zu Ullrich (also nicht der Schlesier) – da gab es gestern Schweinepfoten und -ohren. Du hast doch für sowas immer wieder mal Verwendung, oder?
6. November 2012 at 12:03
Meine Mutter gehört auch zur Geräuchertes-ins-Kraut-Fraktion, so verschieden sind die Vorlieben.
Und Pfoten und Ohren vom Schwein sind natürlich was für mich. :)
6. November 2012 at 11:26
[…] Afra Evenaars Krautrezept gefolgt, zu den Spätzle war es mir zu wenig geräuchert und mein Kraut war mir zu wenig sauer. Sonst war die Kombination phänomenal. […]