Lenticchie di Castelluccio – als Linsensuppe
15. Februar 2011
Zwei Linsen wohnen in einer Schote. Der Gummibärchenforderung gegen die Massentierhaltung und für den Zweierpack wäre damit genüge getan.
Ganz unscheinbar wachsen sie, zwischen Gras und oft auch bunten Blumen, Mohn, Kornblumen und sonst noch was, auf steinigem Grund in fast 1500 Metern Höhe, in Gegenden mit kalten Nächten.
In Italien serviert man Linsen zum Jahreswechsel, als Ritual, das den Geldsegen fürs kommende Jahr beschwören soll. In den Sibillinischen Bergen, wo sie zu Hause sind, stehen diese Linsen nicht nur an Silvester auf der Karte. Linsensuppe gibt es das ganze Jahr über. Ich habe sie bei brüllender Hitze bekommen, keine zehn Kilometer, naja, vielleicht zwanzig, oder doch eher dreißig? von der Stelle entfernt, wo der Linsenschatz wächst.
Und ich bekam auch das Rezept dazu, allerdings nur unter einer Bedingung. Wir mussten versprechen, nicht direkt nach Süden weiterzufahren, sondern einen Umweg zu machen über das Piano Grande, die Hochebene von Castelluccio. Mein Dank an Ida: für die Suppe, für das Rezept und für das Versprechen, das sie uns abgenommen hat. Sonst hätte ich niemals diese atemberaubende Landschaft kennengelernt.
Seither ist Castelluccio einer der magischen Orte auf unserer Italien-Landkarte. Ich habe seine Hänge mit und ohne blühende Linsenfelder gesehen. Ich habe gesehen, wie das Örtchen im Laufe der Jahre immer touristischer wurde. Und ich bin nie abgereist, ohne einen Linsenvorrat mitzunehmen: kiloweise die besten Linsen der Welt.
Die ultimative Linsensuppe ist mal wieder sowas von einfach, dass sie kaum als Rezept zählt. Sie beginnt nicht einmal, wie bei italienischen Gerichten sonst üblich, mit einem Soffritto. Was sie so unvergleichlich macht, sind die Linsen, aus denen sie gekocht ist, die umbrischen Berglinsen, klein, rund und bunt: le lenticchie di Castelluccio di Norcia.
Für zwei Personen braucht man:
ein bis zwei handvoll Linsen
eine Stange Sellerie
eine Möhre
Salz
(und für mich, weil ich es meist doch nicht lassen kann, ein Lorbeerblatt)
Olivenöl
Knoblauch
Peperoncino
Tomatenmark
Die Suppe geht so:
Die gewaschenen Linsen in kaltem Wasser aufsetzen, zusammen mit 30 cm Staudensellerie und einer Möhre, ganz oder in groben Stücken, und in dreißig bis vierzig Minuten garkochen. Ich salze schon am Anfang. Es ist nicht nötig, die Linsen vorher einzuweichen. Waschen sollte man sie schon und vor allem nach Steinchen absuchen.
Nebenher erhitzt man in einem Töpfchen Olivenöl, lässt feinstgeschnittene Knoblauchwürfelchen darin angehen. Dazu kommen zwei bis drei Esslöffel Tomatenmark, das soll im Knoblauchöl rösten, bis es einen Karamellton bekommt, und ein mit grobem Salz gemörserter Peperoncino (oder zwei).
Zwei Drittel der Linsen werden mit etwas Kochwasser püriert und mit der Öl-Knoblauch-Peperoncino-Tomaten-Würze in den Topf zurückgegeben, wo sie noch ein bisschen ziehen dürfen, damit sich die Aromen verbinden.
Auf dem Teller kommt kaltes Olivenöl über die Suppe, olio a crudo.
Geröstetes Weißbrot passt dazu.
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15. Februar 2011 at 17:56
Die Talbilder habe ich doch schon mal irgendwo gesehen ;-)
Sind diese Linsen eigentlich mit denen von der schwäbischen Alb vergleichbar?
15. Februar 2011 at 21:58
Da hast Du sicherlich die besseren Fotos gesehen.
Nein, diese Linsen haben nichts mit den Albleisa zu tun. Ich habe immer wieder versucht, sie zu ersetzen, mit französischen oder italienischen Berglinsen verschiedener Provenienz, mit „Champagnerlinsen“, mit den grünen von Le Puy, mit den schwarzen Belugalinsen. Ich habe keine vergleichbaren gefunden.
15. Februar 2011 at 19:00
Diese Linsen und die Beschreibung der Suppe mit Fotos sind ein Gedicht!
15. Februar 2011 at 21:51
Die Linsen finde ich auch ein Gedicht – und für den Rest danke.
16. Februar 2011 at 13:43
Was macht das Rindvieh auf der Packung?
16. Februar 2011 at 14:03
Das hab ich mich auch schon gefragt. Man sieht nur Schafe rumlaufen in der Gegend, und bekannt ist sie (außer für die schwarzen Trüffeln) für Würste und Schinken aus Schweinefleisch, die in ganz Italien in Norcineria genannten Feinkostläden verkauft werden.
16. Februar 2011 at 21:21
Blöd, daß man das Gericht nicht mit anderen Linsen kochen darf. Ich liebe Linsen. Gibt es eine Chance, sie hier im italienischen Fachgeschäft zu kriegen? Werden die exportiert? Sie sind ja getrocknet sicher nicht leicht verderblich.
Ich werd mal suchen. Und dann versuchen, das Gericht so zu ändern(!), daß man nur einen Topf braucht, ich Faulpelz. Hab ich letztens bei Rotkohl gemacht — schmeckte genauso wie sonst (Bericht folgt).
16. Februar 2011 at 22:21
Du darfst die Suppe schon mit anderen Linsen kochen, am ehesten gehen Belugalinsen, solange Du die richtigen nicht hast – aber niemals auf den zweiten Topf verzichten. Große Warnung!
20. Februar 2011 at 13:20
Hmm, also wenn ich die Tomaten-Knoblauch-Paste vorher mache und dann die Linsen direkt darin garkoche, dann müßte das doch auch mit nur einem Topf gehen.
20. Februar 2011 at 14:02
Gehen tut alles. Es schmeckt nur vermutlich anders: ein bisschen dumpfgekocht. Tomate und vor allem Knoblauch verändern den Geschmack durch langes Kochen. Manchmal will man das ja, hier aber nicht. Außerdem sollen die Linsen möglichst unbeeinflusst ihren eigenen Geschmack entwickeln und sich nicht komplett mit Tomaten- und Knoblauchgeschmack vollsaugen.
20. Februar 2011 at 16:42
Dumpfkochen bloss nicht.
Schwäbische Linsen von der Alb werden hier verschmäht.
20. Februar 2011 at 17:09
Auf der Alb bauen sie bisher eine Variante der du-Puy-Linsen an und vermarkten sie als Alb-Leisa. Zwei der alten Alblinsensorten wurden zwar in einer Sankt-Petersburger Samenbank wiedergefunden, konnten aber offenbar noch nicht wieder so aufgepäppelt werden, dass sie auch in den Verkauf kommen. Ich freue mich schon darauf, wenn es die mal gibt.
21. Februar 2011 at 21:37
Die Späth-Linsen werden gaaanz sachte aufgepäppelt – und sollen in zwei,drei Jahren auf den Markt kommen. Solange muß man sich mit den französischen Linsen von der Alb trösten, aus Bioanbau von der Erzeugergemeinschaft. Unentbehrlich für wirklich gute Linsen & Spätzle.
24. Februar 2011 at 19:58
Bitte schreibe einen Beitrag über die Erbsenzähler und es ungehörig ist nachzufragen wenn auf jeder 3. Seite die Fussnote fehlt. Aber juristisch sauber schreiben…. ;-))
26. Februar 2011 at 12:44
Wenn ich das jetzt aber nicht ganz verstehe?
28. Februar 2011 at 10:43
Schön appetitlich und gar nicht puristisch. Kompliment für die wundervollen Fotos.
28. Februar 2011 at 13:39
Wenn das nicht puristisch ist …
Danke, Lenz fürs Kompliment.
13. Januar 2014 at 01:12
Nochmal einen Kommentar hierzu nach etwa drei Jahren der Stille: die Linsen sind super so, ich hab mich noch nie getraut es in einem einzigen Topf zu kochen. Letztes Mal habe ich eine grobe Wollschweinbratwurst dazu gereicht, was sehr lecker war und hoffentlich keinen Traditionalistenzorn aufkommen läßt. :-)
29. Januar 2014 at 21:09
[…] etwas nachgekochtes: Afra Evenaars Berglinsen aus Castelluccio. Wir ergänzen das ansonsten vegane Gericht um eine Wollschweinbratwurst, was sehr gut […]