Bitterorangen-Marmelade

16. Januar 2011

Mutzi hat mich drauf gebracht.

Irgendwann Anfang Dezember fragte sie, ob ich mir vorstellen kann, in Moabit Bitterorangen aufzutreiben. Es könnte sich lohnen, den Gemüsehändler in der Markthalle zu fragen, ob er welche besorgen mag, war meine Antwort. Der Zeitpunkt für so eine Nachfrage war schließlich besser nicht zu wählen. Von Weihnachten bis Februar werden sie in Spanien geerntet, da schien ausreichend Vorlauf drin.

Keine zwei Wochen später, es war immer noch vor Weihnachten, begegneten wir uns. In der Markthalle. Mutzi schleppte schwer, an etlichen Kilo Pomeranzen. Ich schwatzte ihr ein knappes Kilo ab. Das waren sieben Stück.

Meine letzte Bitterorangenmarmelade hatte ich in meinen ersten Berliner Jahren gemacht. Damals taten wir uns zusammen und bestellten im KaDeWe, mussten aber eine ganze, ich weiß nicht mehr wie große, Steige abnehmen. Woran ich mich erinnere, ist, dass wir zu viert oder fünft um meinen Tisch saßen, in regelmäßigen Abständen die Messer schärften und irgendwann fast verzweifelten an der Aufgabe, diese Unmengen Pomeranzen in millimeterdünne Scheibchen zu schneiden: Finecut war unser Ziel.

Woran ich mich auch erinnere, ist, dass die Zuckermenge nicht nach Gewicht, sondern nach Stück bemessen war. So wollte es das Rezept der Mutter einer Freundin. Nur weiß ich nicht mehr, waren es hundert Gramm Zucker auf eine Orange oder zweihundert. Den Rest der Prozedur habe ich trotz der vielen inzwischen vergangenen Jahre ziemlich gut im Kopf behalten.

Meine Marmelade geht so:

7 Orangen heiß waschen und bürsten, vierteln, die Kerne herauspulen und in einem Glas mit etwas Wasser parken. Die Viertel mit der Hand etwas ausdrücken (den Saft auffangen), dann in sehr feine Streifen schneiden. Nicht schälen, nicht das Weiße entfernen, nichts wegwerfen; die dickeren Häute kommen zu den Kernen!

Auf die sieben Orangen in Fitzelchen habe ich knapp eineinhalb Liter Wasser gegossen und sie ca. 20 Stunden stehen lassen. Von Stunde zu Stunde roch die Küche intensiver nach Orangenschale, bis irgendwann die ganze Wohnung duftete. Wenn man allerdings der Verlockung nachgibt und probiert, ist die Enttäuschung eine große. Nur bitter und sauer schmeckt das Ganze und hat kein, aber auch gar kein Aroma.

Am nächsten Tag kommt der Topf aufs Feuer, für eine dreiviertel bis eine Stunde, die Schale ist dann weich. (Keine Angst vor zu schlapp, sie verfestigt sich später wieder etwas.)

Im Glas mit den Kernen hat sich über Nacht eine konsistente Glibbermasse gebildet. Da sie schwer durch ein Mulltuch zu drücken ist, rühre ich zunächst durch ein Sieb, was so durchwill. Die restlichen Kerne binde ich in ein Leinentüchlein und hänge sie ins Orangenwasser, wo sie nun mitkochen dürfen. Dazu kommt der Glibber, Zucker und der Saft einer Zitrone. (Das nächste Mal würde ich nur eine halbe nehmen oder gar keine, weil sie den Geschmack deutlich beeinflusst, und hoffen, dass die Marmelade trotzdem geliert.)

Und jetzt ist er da, der Moment, wo es schwierig wird. Das Problem mit dem Zucker! Am Ende wurden es fast 200 Gramm pro Pomeranze. Berechnet habe ich die Menge schließlich doch nach Gewicht. Von den mehr als zwei Kilo Lebendmasse war während der Schalenweichkochphase einiges an Flüssigkeit verdampft, so dass ich noch 1600 g übrig hatte. Darauf ca. drei Viertel der Gewichtsmenge an Zucker. Egal wie berechnet, ich kippte 1300 g Zucker dazu.

Das Kochen geht weiter, heftig. Diesmal wird ununterbrochen gerührt, damit nichts ansetzt, und zwar so lange, bis die Chance besteht, dass die Flüssigkeit geliert. Allmählich klärt sich das Süppchen, wird immer güldener und nimmt plötzlich Geschmack an. Ich lasse ihm 30 Minuten Zeit und ringe mit mir. Keine der alle paar Minuten veranstalteten Gelierproben verspricht Erfolg. Aber ich hatte mir 30 Minuten als Limit gesetzt, damit nicht zuviel an Karamellnote in die Marmelade kocht. Und, wider Erwarten, 30 Minuten waren genug.

Der Vollständigkeit halber: Die Marmelade wird in Gläser gefüllt (mit welchen Hilfsmitteln auch immer), zugeschraubt, auf den Kopf gestellt, nach wenigen Minuten wieder umgedreht und beschriftet. Die Gläser sind natürlich gründlichst gespült, und warten mit kochendem Wasser gefüllt, bis es so weit ist. Auch den Deckeln wird das kochende Wasser nicht erspart.

P.S.: Mutzi war mir am Ende dankbar, sieben Orangen weniger schneiden zu müssen.

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13 Responses to “Bitterorangen-Marmelade”

  1. karu02 Says:

    Und? Hast Du schon probiert?

  2. Afra Evenaar Says:

    Ja, sofort nachdem sie abgekühlt war: aus dem unvermeidlichen Gläschen, das nicht ganz voll wird.
    Der Bestand ist arg geschrumpft in den letzten Wochen. Zwei Drittel sind schon aufgegessen bzw. verschenkt. Es bleibt mir also nichts übrig, als mich noch einmal ans Werk zu machen.

  3. Lakritze Says:

    Oooooh –! Ich bin neidisch. Bitterorangen sind hier nur sehr, sehr schwer zu kriegen. Und so viel Arbeit …!

    • Afra Evenaar Says:

      Gut, dass es die Moabiter Markthalle gibt, und dass sie, viel zu langsam, wieder aufzuleben beginnt.
      Und von wegen neidisch: Deine Berlin-Besuche sind einfach zu selten, muss ich noch mehr Anreize schaffen?

  4. joulupukki Says:

    Klarer Fall von „zu schön zum Verzehr“ – ein Dilemma!

  5. kormoranflug Says:

    Orangenmarmelade gehört zu meinen Lieblingsmarmeladen. Für das Rezept braucht man bestimmt viel Geduld und Zeit.

  6. Afra Evenaar Says:

    Wusste gar nicht, dass es so viele Bitter-Fans gibt. Marmelade ist alle. Bei der nächsten Produktion trage ich für dich mit an.

  7. Sus Says:

    Ich suche mir auch schon den Wolf, um Bitterorangen zu finden. Letztes Jahr fand ich im März welche: gespritzt! Ganz toll..

    Die Marmelade hat eine herrliche Farbe!

    Liebe Grüße, Sus

    • Afra Evenaar Says:

      Eigentlich ist die Saison ja von Weihnachten bis Ende Februar. Gespritzte Bitterorangen? Das ist natürlich ganz und gar kontraproduktiv. Mein Gemüsehändler behauptet, Bitterorangen wären nie gespritzt. Tja, was soll man glauben?

  8. Chris Kurbjuhn Says:

    Gaaaanz großes Tennis, diese Marmelade!


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