Das Wort für heute: Schnürlregen
25. September 2010
Schnürlregen, der; eine – weniger mentale denn verbale und emotionale – Herausforderung
Es gibt Gegenden auf diesem Planeten (dortselbst würden sie vielleicht eher Landstriche genannt, die Gegenden) – also, es gibt Gegenden auf diesem Planeten, in denen ist es nachts kälter als draußen. Warum? – Weil die Häuser im Freien stehn. Und, heißt einer Xaver oder Valentin in solchen Gegenden, wird er mit Vogel-F geschrieben und mit Fenster-V gesprochen. In diesen Gegenden ist die korrekte Bezeichnung für den gemeinen Landregen Schnürlregen.
Es gibt andere Gegenden auf diesem Planeten, da haben Schnürlregensozialisierte erwartungsgemäß keinerlei Probleme damit, einen Fluss wie die Havel mit dem auch hier angezeigten Fenster-V auszusprechen, müssen sich aber damit abfinden, dass es zuweilen ausdauernd Strippen regnet. Auch wird etwas, das in ersteren Landstrichen nicht minder geschätzt und stamperlweise zu einem Geselchten nebst Weizen getrunken wird, der Kümmel, beherzt in das ortsübliche feinperlige Weißbier gekippt und unter der Bezeichnung „Weiße mit Strippe“ auf den dann nicht Wirtshaustisch, sondern Tresen gestellt.
In einer anderen, für ihre weitgereisten Destillate berühmten Gegend (diese wiederum liegt auf flachem, salzwassergetränktem, noch jungem Land) wird Kümmel im oder zum Tee gereicht, wo er, aus Verschleierungsgründen oder nach ausgedehnterem Genuss, verbal zu …mehl verkümmert. In diesen Gegenden regnet es Bindfäden, und man spricht, wie in der schönsten Stadt der Welt (Selbstaussage) auch, von Schietwetter. An solches wird sich nicht nur, wer flache Landschaften mag, wohl eher gewöhnen als an den sprachlich deutlich anspruchsvolleren Schnürlregen, selbst wenn er sich vor Gebirgspanoramen ereignet.
25. September 2010 at 15:54
Aber naß wirst Du überall, oder ?
25. September 2010 at 17:19
Na ja, ich kann mich schon dagegen schützen: im einen Fall mit Kopftuch und Regenschirm, im anderen mit dem dir wohlbekannten Friesenpelz, im dritten mit Kopftuch, Tschador, Burka oder gar nicht erst rausgehn.
25. September 2010 at 18:17
Köstliche Ausführungen über etwas, das meist ärgerlich ist.
25. September 2010 at 18:20
Danke, Lenz, lange nichts gehört voneinander.
25. September 2010 at 18:36
Hochgeschätzte Afra,
wunderbar, dein Geschnürltes!
Ich floh vom Schietwetter in die Gegend, da wo’s Strippen regnet. Und Kümmel mag ich auch nicht… Da gehe ich jetzt mal sinnieren.
Es grüßt ganz herzlich
Richensa
25. September 2010 at 18:49
Sinnieren ist immer gut. Danke für das schöne heimatliche Wort. Aber: Du magst keinen Kümmel? Noch nicht mal als Korn ins Kraut?
26. September 2010 at 20:45
Bedauerlicherweise mag ich weder Kümmel als Korn im Kraut noch Kümmel in flüssiger Form. Und Kreuzkümmel, den ich wohl mag, zählt nun mal nicht.
25. September 2010 at 19:08
Nur gut, dass es in unserem Lande nicht Katzen und Hunde regnet.
25. September 2010 at 19:30
Ein Glück, dass es woanders Katzen und Hunde regnet, sonst gäbe es nicht so viele köstliche Erklärungen dafür :-).
25. September 2010 at 19:53
Da wollte ich gerade mit meinen Englisch-Kenntnissen protzen – aber da ist der englische Regen ja bereits gefallen.
25. September 2010 at 20:15
Tja, und alles auf uns runtergeregnet.
25. September 2010 at 21:30
Ich sah heute: Schnürlregenbögen. Drei.
Und höre nun:
Station 17 – Ohne Regen kein Regenbogen
(im Audioplayer auf http://station17.17rec.de)
25. September 2010 at 22:09
Schön und „deutlich zu sehen für jeden Idioten“. Außer wenn der Schnürlregen die Sonne gefressen hat.
Ich bin ja manchmal aus Zucker und hab deshalb keinen gesehn. Und schon gar keinen Schnürlregenbogen, leider, wo der doch so selten ist.
25. September 2010 at 22:00
Ich mag Schnürlregen; der perlt so schön auf der Zunge.
25. September 2010 at 22:09
Das will ich sehn!
26. September 2010 at 01:39
Beim Aussprechen, meine ich natürlich. Nix zu sehen. :)
26. September 2010 at 01:36
Es plästert (mit langem ä). Oder pleistert es?
26. September 2010 at 08:55
Wenn es es tut, plästert es bei uns.
26. September 2010 at 11:03
Ich kannte mal einen, der kam aus Ostwestfalen, bei denen hat’s auch geplästert. Aber ob ich das glauben soll? Dann gäbe es Bielefeld ja doch.
26. September 2010 at 15:45
In Dortmund plästert’s auch, für Bielefeld ist noch kein Beweis erbracht!
26. September 2010 at 20:47
Hey, in Höxter plästert es auch!
27. September 2010 at 22:36
O, wat, de Möcken pissen.
26. September 2010 at 22:13
Ja, wo pleistert’s denn nun? kann da die maken-machen-Linie als Trennlinie angenommen werden oder wie oder was – oder pleistert es gar nirgendwo?
26. September 2010 at 23:42
Ich hab’s noch nirgends pleistern hören. Und die Benrather Linie kenn ich nur von der Grillage-Torte.
27. September 2010 at 14:23
Ich sag mal: Altbier! Als ob wir nur Süßkram äßen!
Ich kenne im Übrigen nur das Verb pleisteren, welches „verputzen“ im Niederländischen bedeutet.
27. September 2010 at 14:36
Verputzen ist immer gut, Altbier gilt nicht, da regionaler Kampfbegriff.
27. September 2010 at 15:49
zu utechs kommentar:
Wir – und möglicherweise auch Holländer – verputzen die Wände , in und um Braunschweig verputzt man allerdings auch Kuchen, Torte und andere Dinge, die lecker schmecken.
27. September 2010 at 10:12
Und dann gibts noch das Winterland, die haben keine Schnüre und keine Strippen, Katzen und Hunde am allerwenigsten, sondern nur sanfte Tage.
27. September 2010 at 12:48
Wie poetisch!
Allerdings gibts auch noch das Nebelland aus Karen Duves entführter Prinzessin, wo die Drachen brüten, und Walter Moers‘ Nebelheim aus Rumo & Die Wunder im Dunkeln. Da wird man mindestens verrückt. Und Storms graue Stadt am Meer und den Niederrhein.
27. September 2010 at 18:54
Ein Schnürboden gefällt mir viel besser als ein Schnürlregen.
27. September 2010 at 22:18
Rat mal, was mir besser gefällt! Die meisten werden aber entschieden häufiger mit dem Schnürlregen ihre Erfahrungen machen als mit dem Schnürboden.
27. September 2010 at 22:31
Auf den Schnürboden kommt normalerweise ja auch niemand hin.
In Fidelio mußten wir Statisten mal vom Schnürboden agieren. Erforderte aber schon eine gewisse Schwindelfreiheit.
27. September 2010 at 22:45
Du warst Statist an der Oper? Sag bloß! Du bist immer wieder für eine Überraschung gut.
Übrigens: Bis vor einiger Zeit mussten die Bühnenmeister noch eine Prüfung in Seemannsknoten ablegen.
28. September 2010 at 14:45
Oh. Und heute gibt es Karabiner –?
28. September 2010 at 15:00
Sicherlich sind auch Karabiner jeder Art und Größe im Einsatz. :)
Im Schnürboden sitzen heute meist Computer, die elektrische Winden bedienen. Nur ab und zu werden noch Handzüge auf Klampen belegt.
Mir fällt grad ein, das sind ja auch alles Hebezeuge.
28. September 2010 at 18:53
Dieser Artikel ist herrlich. Vom Schnürlregen über den Schnürboden bis hin zu Computern an Hebezeugen, oder so .
28. September 2010 at 23:35
Danke, ottogang, ich freu mich auch darüber.
2. Oktober 2010 at 02:33
Es gibt Zustände, an die gewöhnt man sich NIE.
(Gut geflüstert, Löwin.)
2. Oktober 2010 at 11:07
Ach wie schön, dass du vorbeigeschaut hast. Bei dem Wetter geht man ja normalerweise nicht aus dem Haus.