Sommergemüse: Lecsó
24. Juli 2010
Zwei Vorhaben ließen mich – noch zu sozialistischen Zeiten – nach Ungarn reisen. Das erste war, unter Anleitung von Árpáds Mutter, die den Sommer über in einem Dörfchen nördlich des Balatons residierte, zu lernen, wie man Almapaprika einlegt. Das zweite war, in einem (bzw. jeden Tag in einem anderen) Budapester Táncház/Tanzhaus Csárdás zu lernen, diesen eigenartigen Tanz mit dem Hinkeschritt.
Auf dieser Reise, die mich von Sopron an der österreichischen Grenze bis ins abgelegenste Nyírség am östlichen Rand führte, von Pécs im Süden bis ins Bükk-Gebirge im Norden, ins weinselige Eger und ins von der Industrie graue Miskolc, von den Graurindern der großen Tiefebene zu den Lippizanern auf den Hügeln um das Szalajka-Tal, vom Debrecen der gleichnamigen Würste bis Hollókő mit seinen Blaudruck-Schürzen – auf dieser ausgedehnten Reise lernte ich die ungarische Küche, hausgemacht und in Restaurantversionen, ziemlich gut kennen – und lieben.
Nach einem ganzen Tag Arbeit, beginnend mit dem Besorgen von Unmengen Apfelpaprika und der übrigen Zutaten, dem Spülen der Fünfliter-Einmachgläser, dem Bürsten und Einschichten der Paprikaschätzchen, dem Verdünnen und Aufkochen von 10-prozentigem Essig mit Meerrettichwurzel und ungarischem Safran/Sáfrányos Szeklice (nein, es ist kein Safran und schmeckt auch nicht so; ja, es sind Staubfäden Blütenblättchen, rote; von welcher Blüte? keine Ahnung) – nach einem von Erfolg gekrönten Arbeitstag in der brüllend heißen Sommerküche also, bat uns Árpáds Mutter auf die Terrasse zum Abendessen. Sie servierte eine riesige Platte mit Lecsó: diesem Letscho, dessen Rezept gleich folgt. Ich werde es nie vergessen, genauso wenig wie den unvergleichlichen Geschmack der Almapaprika aus sommerglücklicher Gemeinschaftsproduktion.
Lange Vorrede. Gestern gab es Lecsó. Warum? Weil es heiß war, und weil die ungarischen hellgelbgrünen Paprika so ein unwiderstehliches Aroma hatten.
Hier also das Rezept:
In die Pfanne kommt Schmalz, wie so häufig in Ungarn Schweineschmalz (sertés zsír), bei mir in Ermangelung eines guten Schweineschmalzes auch schon mal Gänseschmalz (tiefgefroren von der Weihnachtsgans) oder in Würfelchen geschnittener roher weißer Speck. Egal, was es ist, es soll schmelzen.
Dahinein fällt eine halbe von diesen Riesengemüsezwiebeln oder zwei mittlere normale: nicht in Ringe, auch nicht in halbe Ringe, sondern in auseinanderfallende Spalten geschnitten (das was die Italiener „a velo“ nennen). Wenn die ziemlich weich geworden sind, kommen dazu die hellgrünen (in Ungarn nennt man sie weiße) Paprikaschoten, ein Pfund sollte recht sein, mindestens: halbiert, geputzt und quer in einzentimeterbreite Streifen geschnitten. Sie behalten ihre Schale. Wer Schale von „weißer“ Paprika nicht verträgt, hat Pech gehabt. Sie fangen sofort zu duften an, brauchen aber trotzdem ein bisschen Zeit (immer wieder wundere ich mich, wie lange es dauert), bis sie nicht mehr roh sind, aber noch Biss haben. (Es geht schneller, wenn man zwischendurch den Deckel auflegt, besser werden sie unbedeckt.)
Nun salzen, Pfeffer drübermahlen (bei mir immer schwarzen) und drei bis vier bis fünf verschlagene Eier in die Pfanne kippen. Rühren, rühren, rühren, die Hitze ist dabei mild, und die Eier sollen nur anziehen. Wenn sie ein bisschen krüsselig werden, macht das nichts. Sie dürfen nur nicht zu fest sein.
Manchmal kommen ein oder zwei Tomaten in Stücken dazu (gegen Ende der Paprikabratzeit), manchmal wird Paprikapulver darübergestreut. Ich mag am liebsten die pure Version, ohne roten Schnickschnack. Vor allem Petersilie hat nichts auf einem Lecsóteller zu suchen, so hübsch das Grün auch aussehen mag.
Das Ergebnis hat nichts mit Frittata oder Tortilla oder Omelette zu tun, schon eher mit der baskischen Pipérade. Die Eier schmiegen sich zwischen die Zwiebel- und Paprikastreifen und machen das vom Gemüse frische Gericht samtweich. Die scharfe Pfeffernote dazu, perfekt. Lecsó.
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24. Juli 2010 at 01:26
Der/die/das Szeklice: Färberdistel oder auch falscher Safran oder aber auch Färbersaflor. Ist gelb, ölig und schmeckt nicht wirklich nach etwas.
Alles Blender, diese Ungarn.
24. Juli 2010 at 14:01
Aus berufenem Munde endlich die Auflösung des Rätsels. Färberdistel! Ist rot und färbt gelb – genau wie Safran. Warum also nicht? Das bisschen fehlender Geschmack, was soll’s?

24. Juli 2010 at 12:58
Und der Geschmack des wahren Lecsó hat so ganz und gar nichts mit dem des Letscho gemein, das es in den Raststätten auf der Transitstrecke im Standardgericht »Schweinesteak mit Letscho« gab.
24. Juli 2010 at 13:48
Oder dem der roten Pampe aus dem Glas im Supermarkt.
24. Juli 2010 at 13:30
Gestern gab es im Hofladen weiße Paprika, gibt es nur hin und wieder einmal. Also ein Teil ist schon da, Eier auch, natürlich frische BIO Eier,jetzt fehlen noch die großen Zwiebeln und Schmalz. Hmm, aber noch einmal zum Einkaufen ? Bei dem Sauwetter ?
Werde Dein Rezept bei Gelegenheit wieder aufrufen, wäre schon mein Geschmack.
24. Juli 2010 at 13:48
Es ist ja auch kein Regenwetter-Gericht, also kannst du ruhig mit dem Einkaufen warten, bis die Sonne wieder scheint.
24. Juli 2010 at 19:14
Ungarn unter sich, mmmh. Bald kommt das Rezept für die Soljanka.
24. Juli 2010 at 21:51
Wenn du mir erklärst, was eine Soljanka mit Ungarn zu tun hat, lese ich auch deine Soljanka-Rezepte. Du hast bestimmt ein gutes.
25. Juli 2010 at 17:10
Ohne ungarische Paprika keine Soljanka (ob aus Russland, Ukraine oder Deutschland). Manche behaupten die Soljanka mit Wurst sei die ungarische Variante.
25. Juli 2010 at 13:52
Ich war früher oft in Ungarn und unsere magyarischen Freunde kochten immer zur Feier unserer Ankunft einen Dreitausendlitertopf mit weißen Paprika und Eiweiß. Man könnte es einen Eintopf genannt haben. Das ist eines meiner ewiglichen Lieblingsgerichte und -gedichte und ich werde nimmer ruhen, bis ich das Rezept oder die anderen Ingredienzen oder den Namen des Gerichtes gefunden habe. Viszonlátásra
25. Juli 2010 at 14:33
Ach Badbury, mein Lieber, schön, von dir zu hören.
Es war bestimmt eine Art von Lecsó, dein Begrüßunggericht. Es gibt unzählige Rezepte dafür, auch mit Wurst oder Speck drin.
Manchmal kommen bei mir auch ein, zwei Tomaten mit hinein. Die dürfen allerdings keine Häute haben.
Viel Glück beim Suchen.
26. Juli 2010 at 14:19
Lecsó, das ist für mich das Weihnachtsessen der Übriggebliebenen 1996. Gemacht mit dem, was meine ungarische Mitbewohnerin in deutschen Supermärkten aufgetrieben und in unbeschrifteten Schraubgläschen aus der Heimat importiert hatte. Kein bißchen Sommer, aber gut.
27. Juli 2010 at 22:54
Ich vermute, der/das Lecsó deiner Mitbewohnerin war rot. Es gibt wirklich unzählige Rezepte, manche ähneln eher einer Ratatouille, manche sind mit Wurst oder Speck gemacht, manche mit Paprikapulver, viel Tomate und roten Paprikaschoten. Mein liebstes ist dieses helle, pure, sommerleichte.
22. Oktober 2010 at 19:21
ich habe bis anhin geglaubt, dass es sich, wennn mit Eiern gebraten, um Sült Paprika handelt. Aber ich verstehe nichts von ungarischer Küche.
22. Oktober 2010 at 21:28
Sült Paprika heißt einfach nur gebratener Paprika. Das geschieht auch mal mit Ei. Vermutlich werden die einzelnen Gerichte je nach Familientradition verschieden genannt. Normalerweise hat Lecsó tatsächlich einen relativ hohen Tomatenanteil und meist kein Ei.
Trotzdem nenne ich mein Gericht Lecsó, zum einen, weil auch Ungarn es so nennen, und zum anderen, weil da nichts gebraten sein soll, nur gedünstet. (Eigentlich müsste es noch „flüssiger“ sein, als auf meinem Foto zu sehen, und mit noch mehr glänzendem Ei.)