Pörkölt und Verwandtschaft
23. Juli 2010
Liebe ich: Pörkölt; seit ich es kennengelernt habe. Obwohl – ursprünglich habe ich etwas donauschwäbisches kennengelernt, das sich nicht zwischen Pörkölt (Gulasch) und Gulyás (Gulaschsuppe) entscheiden konnte. Frau H., die bei uns im Haus wohnte, brachte es meiner Mutter bei, und obwohl ich als Kind fettes Fleisch ungenießbar fand, liebte ich dieses Gericht. Es hieß bei uns das Gulasch der Frau H.
Die Grundbestandteile waren viele, viele Zwiebeln, viel, viel schreiend rotes Paprikapulver, kleine Würfelchen Schweinebauch mit seinen Fettanteilen und obendrauf gelbe Kartoffeln, ebenfalls in Würfelchen. Die schwammen in einer herrlich roten Fettschicht und bedeckten das Ganze. Die Tücke dieser Deckschicht: Blasen am Gaumen. Man konnte nicht sehen, wie heiß es war, wie bei der Hühnersuppe, auf der gelbes Hühnerfett schwamm und keinen Dampf aufsteigen ließ.
Irgendwann lernte ich dann Pörkölt aus unterschiedlichen Tieren, Gulyás, Csirke Paprikás und andere Köstlichkeiten der ungarischen Küche im Original kennen, bekam aber nie die Gelegenheit, beim Zubereiten zuzusehen. Also holte ich mein Wissen aus Gesprächen und Kochbüchern und versuchte, es mit dem erinnerten Geschmack abzugleichen.
Lange Vorrede. Letzte Woche gab es Gulasch. Warum bei dieser Affenhitze? Ganz einfach: Weil mir das perfekte Stück Rindfleisch untergekommen ist. Der Mann hinter der Fleischtheke sprach von Schulter und Bug, was mir Vertrauen einflößte. Die Teile weit oben, um den Hals des Tieres, haben es mir angetan. Mir fiel das Wort Schulterscherzl ein, und auch das verhieß Gutes.
Es war ziemlich dunkel, durchgehend, schien gut abgehangen und hatte diese kostbare feine weiße Schicht in der Mitte, die aussieht wie Sehne, aber keine ist, sondern ins Fleisch hineinschmelzender Glibber. Nur nicht glibberig. Bäckchen haben etwas ähnliches in ihrer Konsistenz.
Das Resultat war ziemlich perfekt Pörkölt, die Herstellung nicht so ganz: Was ich aus ungarischer Tradition zum Beispiel nicht kenne, ist der Rotwein dabei, den ich aber auch sehr sparsam eingesetzt habe. Und Majoran zum Rind, der gehört eher dem Schwein. Und Gänseschmalz statt Schweineschmalz, das hatte ich aber nicht zu Hause. Und Tomate statt Tomatenmark, wenn überhaupt.
Hier also das Rezept:
Reichlich Gänseschmalz schmelzen und ein halbes Fleischgewicht Zwiebeln darin anschwitzen. (Ich nahm halb weiße, halb rote Zwiebeln: schon wieder so ein undogmatischer Akt.) Zwei bis drei gehäufte Eßlöffel (mitgebrachten; ein kostbares Geschenk) ungarischen Paprika unterrühren (nicht zu heiß werden lassen!): süßen/édes und scharfen/csípös. (Was delikatess/csemege genau ist, hab ich noch nicht herausgefunden: die goldenen Mitte?) Paprikamark in Form von goldenem Fasan aus der Tube (Piros Arany, so die einschlägige magyarische Marke, auch hier existieren die verschiedenen Schärfegrade) mit anschwitzen. Einen Esslöffel gemahlenen Kümmel dazu, etwas Majoran und zwei mit Salz zerquetschte Knoblauchzehen.
Das herrliche Stück vom Rind, ein Kilo etwa, in Stücke schneiden (ich mag sie kleiner als die beim Fleischer verkauften Brocken) und extra anbraten. Dann zu den Paprika-Zwiebeln in den Topf geben. Den Bratensatz habe ich mit einem Glas Rotwein abgelöscht (ein Bordeaux, dem seine vielen Jahre nicht so gut getan hatten, dass wir ihn noch trinken mochten, der aber in Saucen zu umwerfenden Ergebnissen führte).
Eine halbierte Tomate und ein Lorbeerblatt hab ich noch dazugeworfen. Und Salz. Das war’s. Nun darf alles schmoren. Ich kann mich nicht erinnern, wie lange es immer kurz vor dem Kochen im Topf vor sich hin köchelte. Eineinhalb bis zwei Stunden, vermute ich. Zwiebeln und Tomate sind zergangen (Die Tomatenpelle lässt sich gut in zwei Stücken herausfischen, das Lorbeerblatt auch.) Gegen Ende kommt noch einmal getrockneter Majoran dazu, der noch eine Weile mitschmurgeln darf, und am Ende schwarzer Pfeffer.
Das Fleisch war mürbe, kein bisschen trocken oder faserig, und das Ganze ein erhabener Genuss. Es bestand sogar vor der Paprikaschenkerin, die es am nächsten Tag bei einem Überraschungsbesuch, allerdings nur kalt, probieren durfte.
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23. Juli 2010 at 15:32
Das würde ich jetzt gern probieren, sehr gern. Ist ja auch schon fast wieder Goulaschwetter.
Sag, keine Zitronenschale und auch kein Knoblauch? Gehört das nicht zum Originalrezept, wie ich bisher annahm? Was sagt die Paprikanerin dazu?
Ansonsten immer ein Pfund Zwiebeln unterm Bug wünscht freundlich winkend Hotzenplotz
23. Juli 2010 at 16:47
Knoblauch ja, allemal. Von Zitronenschale im Pörkölt habe ich bisher noch nicht gehört, stelle ich mir aber köstlich vor. Im Sinne des undogmatischen Kochens.
23. Juli 2010 at 16:51
Die Paprikanerin, bin icke das?
Wenn ja, ich bin vollkommen mit diesem Gulasch einverstanden.
Knoblauch ist ja drin, schau. Aber Zitronenschale? Um Gottes Willen! Zumindest in einem ungarischen Gulasch war noch nie Zitronenschale drin, selbst wenn, würde es niemand zugeben. Man will ja nicht ausgebürgert werden.
24. Juli 2010 at 00:41
Verstehe. Mmpf.
23. Juli 2010 at 15:42
Das geworfene Lorbeerblatt gefällt mir besonders.
Der teure Bordeaux, der im Alter gut sein soll, wird verkocht. Der fette Schweinebauch aus der Kindheit ging verloren. Jede Menge Paprikamark (vom goldenen Fasan) und das Ergebnis, mürbe.
Der Metzger war ein guter Redner und hat mit Dir bei der Affenhitze mit Schulter und Bug ein leckeres „Schulterscherzl“ gemacht.
Leidenschaft führt zum Ziel.
23. Juli 2010 at 16:48
Eine eigenwillige Nacherzählung, lieber Kormoran. Sie trifft es aber im großen und ganzen ziemlich genau.
23. Juli 2010 at 18:52
Deine Kochgeschichten erwecken regelmäßig Staunen und Trauer.
Staunen über Deine ungewöhnlichen Kocherlebnisse und Trauer, daß ich nicht daran teilhaben kann.
Aber mit Deinen ausführlichen Beschreibungen kann ich es fast schmecken.
23. Juli 2010 at 22:16
Nicht traurig sein, ottogang. Wenn ich nur an deine Kaffeekartoffeln denke (an die ich mich immer noch nicht rangetraut habe), gibt es keinen Grund dafür.
23. Juli 2010 at 22:39
Na gut, Trauer abgestellt.
Heute waren wir wieder im Hofladen und haben herrliches Gemüse aus eigenem Anbau gekauft und daraus, dem heutigen Sauwetter entsprechend zur Aufmunterung, gab es eine wunderbare Minestrone.
Meiner BaE sei Dank.
25. Juli 2010 at 12:32
[…] wissen will, wie der gute Gulasch geht, muss zu Afra Evenaar. Dort wird auch klar, dass Gulasch im Ungarischen ein pörkölt ist, der gulyás hingegen eine […]
25. Juli 2010 at 17:32
[…] Das Pörkölt-Dogma der Mutzi Von Mutzi H. Europa Hiermit lege ich das allheilbringende Pörkölt-Dogma fest. Selbstverständlich haben Sie ein Recht auf Ihre eigene Haltung zum Thema Pörkölt und Gulasch. An dieser Stelle werden die Grundlagen für den ungarischen Rindergulasch, im Folgenden marhapörkölt, behandelt. Das Dogma ist kein Rezept. Für ein gutes Gulaschrezept konsultieren Sie bitte Afra Evenaar. […]
6. August 2010 at 14:29
[…] Wenn ich mich zwischen Hack und Schnitzel entscheiden müsste, käme es darauf an, welches Ausgangsmaterial dem Hack oder Schnitzel zugrundeläge: Kalb würde bei mir zu Schnitzel, Schwein gemischt und zu Boulette, Rind zu noch was anderem, zum Beispiel zu Marhapörkölt. […]
17. August 2010 at 20:51
Ich plädiere trotzalledem für Zitronenschale und als Fleischgrundlage für Rinderhaxe/Rinderhesse. Wenn man sie lange genug köcheln läßt (mindestens 4 Stunden bei niedriger Temperatur), verwandeln sich Sehnen und Fett in eine gallertartige Masse, die dem Fleisch Saft und Geschmack verleihen.
29. November 2010 at 11:16
[…] und eben beim Anbraten von Fleisch wichtige Geschmacksstoffe erzeugen. Will man dieses Gericht auf dem Herd kochen, muß es die ganze Zeit bräunen, und damit es nicht anbrennt, muß man danebenstehen und […]
6. Juni 2011 at 16:24
[…] machte ich mich ganz undogmatisch (Schwein statt Rind, Möhren) ans Gulasch – das keines ist. […]