Das Wort für heute: Dohnenstrich
18. Februar 2010
der Dohnenstrich; schockweise auftretende, aneinandergereihte Krammetsvogelfallen.
Und wieder einmal bin ich vom Hölzchen aufs Stöckchen gekommen. Mir ging die Frage nicht aus dem Kopf, wer sich wohl hinstellen mag, die Wacholderdrosseln zu erdrosseln, damit sie besser schmecken. Jetzt weiß ich es: die Dohnen.
Ein Zufallsfund brachte mir diese Erkenntnis, samt Bauanleitung besagter Vogelfallen, und als eine weitere die, dass Krammetsvögel nicht zwangsläufig Wacholderdrosseln sind, sondern alle, die sich in Dohnen fangen lassen, und zwar im Herbst. (Vielleicht kommt ja das Krammet in den Vögeln doch nicht vom Wacholder, sondern von der zweiten bis letzten Heuernte, die zumindest in Bayern Grummet/Krummet/Krammet heißt. Denn die Zeit für den zweiten Schnitt ist auch die Zeit, um auf den Dohnenstrich zu gehen.)
Ehe der Dohnenstrich sich von selbst erklärt, ein Wort zu den Dohnen: Kurz und knapp liest man dank zeno.org in Meyers Großem Konversations-Lexikon von 1906: „Dohnen sind Schlingen aus Pferdehaaren, die zum Fang von Vögeln in gebogenen Bügeln befestigt sind.“ Das schönste Bild gibt’s im Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon von 1836. Und die anschaulichste Beschreibung findet sich in Pierer’s Universal-Lexikon aus Altenburg von 1858, der Lieblingsquelle in Vogelfragen. Hier erfahre ich auch, dass der Dohnenfang „gewöhnlich von Jacobi bis Martini“ dauert.
Eines ist unumstritten bei den Sachkundigen: Gehst du auf den Dohnenstrich, vergiss die Ebereschenbeeren nicht! Obwohl Krammetsvögel auch Weintrauben, Wacholderbeeren und so allerhand mehr aus Gottes weiter Natur picken, ist der verbürgte Köder, vermutlich ob seines Lockpotentials, die schöne rote Vogelbeere.
Da kommt mir ein finsterer Gedanke. Ob das „Dohnagestell“ zwischen Rehbergen und Plötzensee wohl gar einst ein Dohnenstrich war?
18. Februar 2010 at 17:42
Da ich in diesem Winter so viel Freude an diesen Vögeln hatte, wüsste ich lieber nicht, was ich jetzt weiß. Trotzdem danke fürs Wissenslückenfüllen.
18. Februar 2010 at 21:07
Dein Fund in dem Brockhaus von 1836 klärt eindeutig: Drosseln erdrosseln sich selbst. Fallen aus harmlosem Pferdehaar, „in denen sich zur Herbstzeit Drosseln und andere kleine Vögel selbst zu fangen pflegen“, legen Drosseln den Selbstmord lediglich nahe.
Vielleicht hat man gemeint, die Drosseln stehen auf sowas und hat ihnen deshalb vor dem Braten die Füße durch den Kopf gezogen.
18. Februar 2010 at 21:13
Ganz schön zynisch, nicht nur BILD oder BZ, auch schon der Brockhaus.
18. Februar 2010 at 21:10
Bin ich froh, dass die Kormorane nur Fisch fressen.
18. Februar 2010 at 21:14
Bist du da ganz sicher?
19. Februar 2010 at 14:13
Das ist ja auch ihr Verhängnis, der Himmel weiß, mit welchen Tricks man die Kormorane, die zum Fischfang eingesetzt waren, gefangen hat. Vermutlich waren Fische im Spiel, ähnlich lecker für den Kormoran wie die Vogelbeere für die Drossel.
23. Februar 2010 at 11:47
Die perversen Drosseln, die. Tun so scheinheilig und zwitschern hübsch und dann stehen die Biester auf Fesselspiele.
Vielen Dank für den grandiosen Tip mit zeno.org. Den gebe ich zurück mit der fulminanten englischen http://www.bibliomania.com
23. Februar 2010 at 16:23
Dank zurück für Biblio- und andere Manien.
24. Februar 2010 at 12:46
Ein bisschen grausig, dieser Strich der sich gewohnheitsmäßig selbst fangenden Vögel … was sind schockmäßig auftretende Fallen? Gut, dass kein Mensch etwas mit diesen zerstörerischen Vorgängen zu tun hat.
24. Februar 2010 at 16:25
schockweise: abgeleitet von das Schock, alte Maßzahl, entspricht fünf Dutzend; das Dutzend, alte Maßzahl, soviel wie zwölf Eier.
Gut so, liebe Eichhorn?
Und: natürlich hat da kein Mensch was mit zu tun, nicht in der Sprechweise der Nachschlagewerke.
2. März 2010 at 00:25
Vielen Dank, Frau Afra. Das kannte ich tatsächlich nicht. Ich dachte, klar sind die geschockt, wenn da eine Falle nach der anderen steht, aber es hieß ja nicht „schockierend auftretende Fallen“. Und wie gesagt, bei diesen Vögeln weiß man nicht, wie abgeklärt die bereits sind…Aber 5 Dutzend? Das sind ja Massenvernichtungsgeräte.
27. Februar 2010 at 17:16
Schaurig-schön. Und Danke für all die ollen Nachschlagewerke!
Die Parallelen des Dohnenstrichs zum weltweiten Netz sind atemberaubend … :)
25. August 2014 at 09:46
[…] Eher unwahrscheinlich, immerhin liegt der Friedhof mitten in der Stadt. Singvögel? Etwa gar mit Dohnenstrich? Es bleibt rätselhaft, zumal der Aushang zwar Auskunft zu den Öffnungszeiten, nicht aber zur Art […]